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Narziss und Goldmund von Anna Bartolucci Narziß und Goldmund entstand in einer depressiven Periode in Hesses Leben, in der ihn starke Zweifel am Künstlertum plagten. Er versuchte seiner Existenz einen neuen Sinn zu geben. Hesse begann mit der Niederschrift der Erzählung im Frühjahr 1927. Teile wurden im Verenahof in Baden und in Zürich geschrieben, der Hauptteil in Montagnola. Es gab zunächst drei Varianten für den Titel: Narziß oder der Weg zur Mutter, Das Lob der Sünde und Narziß und Goldmund mit dem Untertitel Geschichte einer Freundschaft, wofür sich Hesse schließlich entschied. Dieser Untertitel wurde für den Vorabdruck in der Zeitschrift "Die neue Rundschau" verwendet, entfiel jedoch 1930 in der Erstausgabe. Hesse griff mit dieser Erzählung das Problem der Polarität, das Künstlerproblem und das Mutterproblem auf, wie schon in seinen früheren Werken. 1928 schrieb er in dem Aufsatz "Eine Arbeitsnacht" über seine Arbeit an diesem Buch. Darin heißt es: „Eine neue Dichtung beginnt für mich in dem Augenblick zu entstehen, wo eine Figur mir sichtbar wird, welche für eine Weile Symbol und Träger meines Erlebens, meiner Gedanken, meiner Probleme werden kann. Die Erscheinung dieser mythischen Personen (Peter Camenzind, Knulp, Demian, Siddhartha, Harry Haller usw.) ist der schöpferische Augenblick, aus dem alles entsteht. Beinahe alle Prosadichtungen, die ich geschrieben habe, sind Seelenbiographien, in allen handelt es sich nicht um Geschichten, Verwicklungen und Spannungen, sondern sie sind im Grunde Monologe, in denen eine einzige Person, eben jene mythische Figur, in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich betrachtet wird."
Das Thema des Doppelgängers in der Literatur Narziß ist Logos, Geist; Goldmund ist Natur, ein Künstler vom Eros beherrscht. Sie leben ihr Leben unterschiedlich, sind aber voneineinander angezogen. Narziß schätzt Goldmund: “Die Naturen von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Träumer, Dichter, Liebenden, sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen. Eure Herkunft ist eine mütterliche". Und sagt: "Wir zwei, lieber Freund, sind Sonne und Mond, sind Meer und Land. Unser Ziel ist nicht, ineinander überzugehen, sondern einander zu erkennen und einer im anderen das sehen und ehren zu lernen, was er ist: des anderen Gegenstück und Ergänzungen". Narziß und Goldmund sind zwei Seiten derselben Münze, zwei Hälften eines vollständigen Menschen. Goldmund stellt vielleicht die unausgesprochene, dunkle Seite des Narziß dar. Wir haben viele Beispiele für doppelte Wesen in der Literatur: “Der seltsame Fall des Dr. Jekyll and Mr. Hyde" von R. L. Stevenson ; "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler; "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde; "Der geteilte Visconte" von Italo Calvino. (Maria Teresa)
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